„In Stade können wir viele Häkchen an das H2-Projekt machen“

Foto: Sonja Leykam
Foto: Sonja Leykam

energate, Michaela Tix, 18.11.24 – 11:30

Interview mit Sonja Leykam, Hanseatic Hydrogen

Stade (energate) – Am Standort Stade (Niedersachsen) plant ein Konsortium um den norddeutschen Logistiker Buss eine grüne Wasserstoffproduktion mit zunächst 100 MW Leistung. energate sprach mit Sonja Leykam, die sowohl beim Projektinitiator, der Buss-Gruppe, als auch im gegründeten Joint Venture namens Hanseatic Hydrogen als Director Business Development Verantwortung trägt.

energate:
Frau Leykam, die Buss-Gruppe plant mit weiteren Partnern im Rahmen des Konsortiums Hanseatic Hydrogen einen 100-MW-Elektrolyseur, der 2028 den Betrieb aufnehmen soll. Warum fiel die Entscheidung auf den Standort Stade?

Leykam:
Hanseatic Hydrogen ist das erste Projekt für grünen Wasserstoff, das in Stade geplant wird. Es besteht aber vor Ort schon ein riesiges Know-how, weil der Chemiekonzern Dow dort Europas größte graue Wasserstoffproduktion betreibt. Die Buss-Gruppe selbst ist in Stade bereits seit Jahren verankert und kennt sich in der Region gut aus. Wir sind einer der Initiatoren und Shareholder des LNG-Terminals, das dort aktuell gebaut wird. Nach dem FID für das Terminal richtete sich der Blick auf die Chancen für eine grüne Produktion vor Ort.

Wenn man die Deutschlandkarte scannt und auf der Suche ist nach gutgeeigneten Standorten für eine Elektrolyse, dann kommt man relativ schnell in Norddeutschland an mit den guten Bedingungen für Windenergie. Wir haben zudem ein Tennet-Umspannwerk direkt am Standort. Das heißt, der Anschluss an die Hochspannung ist gesichert. Sollte es zu einer Strompreiszonenteilung kommen, könnten wir hier aufgrund des hohen Anteils von erneuerbarem Strom direkt mit Netzstrom grünen Wasserstoff produzieren. Auch durch die Nähe zum Industriepark ergeben sich viele Synergien. Die Wasserversorgung ist sichergestellt unter den bestehenden Entnahmerechten des Industrieparks und wir können dort demineralisiertes Wasser für die Elektrolyse beziehen. Die entstehende Abwärme der Elektrolyse könnte, wenn gewünscht, im LNG-Terminal oder späteren Ammoniak-Importterminal genutzt werden. Und nicht zuletzt hat uns die Bundesnetzagentur kürzlich bestätigt, dass wir ab 2028 an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen sind. Das heißt, wir können in Stade einfach sehr viele Häkchen an das machen, was erforderlich ist, um eine Anlage zu bauen und zu betreiben.

energate:
Wie hat sich das Konsortium gefunden und wie sieht die Aufgabenverteilung aus?

Leykam:
Die Avacon-Tochter HAzwei wird ihre Kernkompetenz in der technischen Entwicklung von Wasserstoffprojekten und erneuerbaren Energien einbringen. Wir übernehmen dagegen den Part als Projektentwickler und Betreiber und bewegen uns hier in einem Tolling-Modell. Das heißt, wir würden eine Scheibe oder auch die gesamte Kapazität vermieten, zum Beispiel an große Energieversorger, die die Wasserstoffproduktion in ihr eigenes grünes Portfolio aufnehmen. Somit würden diese Unternehmen grüne Elektronen an den Elektrolyseur liefern und auf der anderen Seite den grünen Wasserstoff ausschließlich über das Kernnetz an Industriekunden vermarkten. Der dritte Partner im Bunde ist das familiengeführte Unternehmen KE Holding, dessen Inhaber schon seit Jahren vor Ort aktiv sind. Alle drei Partner sind zu gleichen Teilen an der im Januar 2024 gegründeten Hanseatic Hydrogen GmbH beteiligt.

energate:
Das heißt, der Verkehrssektor kommt als Zielgruppe nicht infrage durch die fallenden THG-Quoten?

Leykam:
Genau. Zielgruppe sind ausschließlich Kunden, die an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen sind. Es ist keine Verladung über Tankkraftwagen vorgesehen.

energate:
Wie kam es denn zu der Größenordnung der anfangs 100 MW an, die nochmals auf bis zu 500 MW hochskaliert werden könnte?

Leykam:
Wir haben 100 MW als eine sinnvolle Größenordnung angesehen, wenn wir im Markt auf die großen Ausschreibungen schauen. Salzgitter wird zukünftig rund 150.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr für die grüne Stahlproduktion benötigen. Mit der 100-MW-Elektrolyse können wir etwa 10.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Das ist eine realistische Größenordnung für den Anfang, um den Markt zu entwickeln, Skaleneffekte zu erwirken und den anfänglichen Hochlauf des grünen Wasserstoffs zu unterstützen.

energate:
Wie groß könnten die Elektrolyseur-Scheiben sein der insgesamt 10.000 Tonnen pro Jahr? Und wollen sie dafür eine Ausschreibung starten?

Leykam:
Da sind wir nicht festgelegt. Am Ende des Tages sind wir ans Wasserstoffkernnetz angeschlossen und jeder, der Interesse hat, kann darüber beliefert werden. Daher ist auch nicht zentral, ob es zwei Kunden sind, die 5.000 Tonnen abnehmen, einer, der 10.000 Tonnen abnimmt, oder doch mehrere. Im Moment suchen wir bilaterale Gespräche, weil wir den Eindruck haben, dass der Markt für eine Ausschreibung noch nicht bereit ist. Es gibt noch viele Unwägbarkeiten etwa bei den EU-Anforderungen der Zusätzlichkeit und Gleichzeitigkeit beim Stromeinsatz. Bei unserem großen LNG-Terminal war das natürlich anders, weil wir dort den diskriminierungsfreien Zugang gewähren mussten.

energate:
Marktteilnehmer wie RWE sehen große Probleme, sollten die geforderten Kriterien von Gleichzeitigkeit und der Zusätzlichkeit wie geplant kommen. Würde das Ihr Projekt zum Scheitern bringen?

Leykam:
Dies ist auf jeden Fall eine sehr große Hürde. Da fehlt mir im Moment auch die Phantasie, wie die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland in Fahrt kommen sollte, da die Strompreise aufgrund der Erfordernisse der Gleichzeitigkeit und Zusätzlichkeit sehr hoch sind. Und die Projekte, die weiter voranmarschieren, sind diejenigen, die auf beiden Seiten eine IPCEI-Förderung erhalten, also sowohl für die Erzeugung als auch für die Abnahme durch die Industrie.

energate:
Können Sie ein Preisschild an das Projekt dranhängen?

Leykam:
Die Investition bewegt sich in einem niedrigen dreistelligen Millionenbereich für die erste Ausbaustufe.

energate:
Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung, damit so ein Projekt wie Ihres fliegen kann?

Leykam:
Wir hoffen zuerst, dass die Dinge, die auf den Weg gebracht wurden, auch tatsächlich umgesetzt werden. Damit der deutsche grüne Wasserstoffmarkt wirklich zum Leben erweckt wird, brauchen wir zunächst einen passenden regulatorischen Rahmen. Hier müssen die Anforderungen aus dem Delegated Act hinsichtlich der Zusätzlich- und Gleichzeitigkeit neu durchdacht werden. Darüber hinaus halten wir den Split der einheitlichen Strompreiszone in Deutschland für sinnvoll. Eine eigenständige norddeutsche Preiszone mit hohen erneuerbaren Anteil würde die richtigen Signale für Investitionsentscheidungen für Elektrolyseure in der Region und vor allem deren Betrieb setzen. Außerdem braucht es neue Fördertöpfe für eine Anschubfinanzierung.

energate:
Die Wasserstoffbeauftragten von SPD und CDU haben vor der Regierungskrise angedeutet, dass auch Mittel von H2 Global für den deutschen Markt umgewidmet werden könnten. Würde das weiterhelfen?

Leykam:
Absolut. Wir sind ja bisher ein nicht-gefördertes Projekt und eigentlich auch der Meinung, dass die Förderung eher auf die Nachfrageseite gehört. Dazu sollte auch eine Neuauflage der bereits ausgeförderten IPCEI-Töpfe gehören.